Kükenschreddern und kein Ende

Hennen legen Eier, Hähne werden Grillhähnchen. Das war einmal, die Realität sieht anders aus. Heutige Hühnerzucht zielt auf maximale Eier- und Fleischproduktion. Riesige Brut- und Zuchtbetriebe erzeugen ein Hybridhuhn, das weitab von irgendwelchen plüschigen Bauernhofphantasien aufwächst. Im Gegenteil: Industrielle Verhältnisse dominieren die Lebensbedingungen von Hahn und Henne. Hähnchenküken trifft es dabei besonders hart.

 

Eine traurige Karriere

Unmittelbar nach dem Schlüpfen sortieren Spezialisten die Küken nach ihrem Geschlecht: Hühnerküken, die Glücklicheren, wandern in große Hallen mit mehreren Tausend Tieren, in denen sie 17 Tage Zeit haben, um sich das Schlachtgewicht von ca. 4,5 kg anzufressen. Futter und Wasser holen sie sich aus Automaten, die über ihren Köpfen angebracht sind. Das Licht brennt 24 Stunden, damit die Küken jede freie Sekunde fressen. Als Alternative zur Schlachtung steht ihnen eine Legehennenkarriere offen. Diese endet zwar später, aber ebenso abrupt, sobald ihre Legeleistung nachlässt.

Richtig großes Pech dagegen haben Junghähnchen. Ihr Leben endet innerhalb der ersten 24 Stunden. Sind sie als männlich identifiziert, bleibt Vergasung oder das Zerfleischtwerden im Kükenmuser (das Ding heißt wirklich so). Ende aus. Für jährlich 45 Millionen deutsche Junghähnchen war’s das.

Interessanterweise ist das Kükenschreddern im Rahmen des Tierschutzes verboten. Und war nicht einfach nur so; der Tierschutz ist seit 2002 nach dem Grundgesetz Staatsziel. Heute hat das Bundesverwaltungsgericht dazu ein Urteil gesprochen: Die Kükentötung wird zwar als Rechtsverstoß verurteilt, bleibt aber vorerst erlaubt. Und zwar, weil den Brutbetrieben das wirtschaftliche Aus drohte, falls das grundgesetzlich verankerte Tierrecht durchgesetzt würde. Sobald eine Alternative verfügbar sei, werde das Verbot der Massentötung von Küken greifen. Die gebe es aber derzeit noch nicht.

 

Wo bleiben die Alternativen?

Schon 2017 sollte das Kükenschreddern enden. Aber der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt konnte sich gegen die geballte Bauernlobby nicht durchsetzen. Von Frau Klöckner ist wohl kaum mehr zu erwarten.

Die Universität Stuttgart-Hohenheim forscht schon seit einigen Jahren an der Bestimmung des Kükengeschlechts aus dem Ei. Aus den Hormonen eines drei bis vier Tage alten Eies soll dann ablesbar sein, ob im Ei ein Hahn oder eine Henne steckt. Nur die verwendbaren, also weiblichen Eier werden ausgebrütet, der Rest verworfen. Zwar sollte seit 2016 ein Prototyp verfügbar sein, aber die Marktreife ist derzeit offenbar noch nicht absehbar. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich seinen Atem heute also sparen können, wenn das der Trigger sein sollte. Im Übrigen ist dieses Verfahren enorm teuer, weswegen es vom Verein der Demeter-Bauern abgelehnt wird.

Es gibt sie aber heute schon (lieben Gruß an Frau Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner), die Alternative zum Kükenschreddern. Und zwar gleich auf zwei Arten.

 

Das Zweinutzungshuhn

Immer mehr Betriebe setzen auf sogenannte Zweinutzungshühner , einer Neuzüchtung aus alten Rassen. Durch sie wird das Töten männlicher Küken überflüssig. Bei diesen Züchtungen wird einerseits auf eine vertretbare Legeleistung geachtet, andererseits auf einen ausreichenden Fleischansatz männlicher Hühner. Gelingt das, wären beide Geschlechter wirtschaftlich vermarktbar. Apropos wirtschaftlich: Ein normales Schlachthuhn ist nach 17 Tagen schlachtreif, ein Zweinutzungshühnchen würde 17 Wochen brauchen, um genug Fleisch für die Schlachtreife anzusetzen. Es würde siebenmal so viel fressen, trinken und Dreck machen, um sich annähernd genauso gut verkaufen zu lassen. Heute kostet ein Hähnchen drei, vier Euro. Sind wir bereit, zwischen 20 und 30 Euro für einen Vogel auf den Tisch zu legen? An dieser Frage dürfte sich der Erfolg des Zweinutzungshuhnes entscheiden.

 

Das Bruderhuhn  

Alnatura war der erste kommerzielle Großanbieter, der mit dem Bruderhuhn-Verfahren an den Markt ging, andere ziehen nach. Biobauern präferieren es, da es auch in bestehenden Betrieben zu vertretbaren Kosten umsetzbar ist. Traditionell setzen Biobetriebe auf dieselben Hybridrassen wie die industrielle Geflügelproduktion: Wenig Fleischansatz bei den Hähnen, aber hohe Eierproduktion und ein gutes Fleischgewicht bei den Hennen. Wer auf die neuen Zweinutzungshühner setzt, bekommt einen vertretbar guten Fleischansatz in etwas mehr Zeit und andererseits etwas geringere, aber wirtschaftlich annehmbare Eierproduktion.

Während der Nachwuchs für klassische Geflügelzuchtbetriebe aus sogenannten Brütereien kommt, setzen Bruderhuhn-Biobetriebe auf natürliche Kükenzucht. Die Bruderhuhn-Initiative ist eine Alternative zum Kükenschreddern, die ebenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar ist.  Die Hähnchen werden ebenfalls aufgezogen, ihr Fleisch kommt allerdings nicht als Schenkel oder Brustfilet in den Handel, sondern wird entweder in Fertiggerichten verarbeitet oder als Suppenfleisch angeboten. Den Mindererlös kompensieren diese Bauern durch etwas teurere Bio-Eier. Inzwischen werden von vielen Supermärkten und Discountern Bruderhuhn-Eier angeboten. Sie sind etwa 4 Cent pro Stück teurer, was für viele Haushaltskassen durchaus vertretbar sein dürfte.

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Rita Seidel, Königswinter

Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt Digitalisierung, in der Freizeit am liebsten im eigenen Garten und in Bewegung. Ich habe viel übrig für Fridays for Future und suche nach Lösungen für das Klimadesaster, die wirkungsvoll und praktikabel sind. Ich will dazu beitragen, uns und nachfolgenden Generationen die Lebensbasis zu sichern. Denn wir haben nur eine Erde. Und jede Menge Gründe, sie zu erhalten. 

Kükenschreddern und kein Ende

Beitragsbild von congerdesign auf Pixabay